Gottfried Pott – Einblicke in die Welt der Kalligraphie

Seit Schrift geschrieben wird, gibt es das Phänomen des künstlerischen Schreibens. Dahinter steht das Verlangen, dem Inhalt besonderen Ausdruck zu verleihen. Jede Zeit sucht die ihr entsprechenden künstlerischen Ausdrucksformen auch für die Schrift. Schriftkunst ist eine Kunst der "leisen" Töne, mit der Kammermusik vergleichbar; auch die feinen Zwischentöne werden hörbar bzw. sichtbar gemacht. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts sind, ausgehend von England, durch die Schriftreformer William Morris, Edward Johnston und Alfred Fairbank, neue Impulse gesetzt worden. In Deutschland wurde die Entwicklung von so bedeutenden Schriftkünstlern wie Rudolf Koch in Offenbach, F. H. Schneidler in Stuttgart und Walter Tiemann in Leipzig fortgesetzt. Ihnen folgten unter anderen die Schriftkünstler Hermann Zapf, Karlgeorg Hoefer, Friedrich Poppl, Albert Kapr ..., die durch ihr Werk auch heute viele Schriftbegeisterte in aller Welt inspirieren.

Das Thema Musik und Schrift fesselt mich seit einigen Jahren. Eine Einladung, anläßlich der internationalen Calligraphy-Konferenz im Jahre 1989, in San Francisco zu unterrichten, intensivierte die Auseinandersetzung mit diesem Thema. Die Leiterin der Konferenz, Georgianna Greenwood aus Berkeley, hatte mit ihrem Organisationsteam die Konferenz unter das Motto "Experiment" gestellt. Das Stichwort lautete: Teamteaching, d. h. zwei Dozenten sollten für den Zeitraum einer Woche eine Studentengruppe unterrichten – ein sehr gewagtes Konzept.

Für mich war es eine Herausforderung und Auszeichnung, gemeinsam mit meinem Freund und Meister Karlgeorg Hoefer einen Workshop zu planen und durchzuführen. Unserere mehrjährige, eingespielte und partnerschaftliche Zusammenarbeit wurde zu dem Kapital, aus dem wir kreativ schöpfen konnten. Das Experiment wurde ein Erfolg. Frage ich nach dem Grund des Gelingens, so kann ich nur sagen, wir ergänzten einander in idealer Weise. Wir waren aufeinander "eingestimmt". Eine große Hilfe, die Zusammenhänge von Schrift und Musik zu erkennen, war für mich die musikalische Vorbildung, die ich parallel zu meinem Graphik-Design-Studium erhalten hatte. Auch über den Workshop in San Francisco hinaus faszinierte mich das Thema Musik und Calligraphy. Ich baute das Konzept aus und konnte es in den folgenden Jahren für Workshops und Seminare in Belgien, Italien, Kanada und USA weiterentwickeln.

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